Mitgefühl - die Kür des Lebens

19.02.2020

Mitgefühl empfinden und möglichst empathisch zu sein, liegt ebenfalls zurzeit sehr im Trend. Die Fähigkeit zur Empathie, also die Wahrnehmung der Gefühle der anderen Menschen, wird sogar als wichtiges Merkmal für psychische Gesundheit angesehen. Depression beispielsweise hält die Menschen so sehr im Bann der eigenen Dramen, dass das Mitfühlen oder Wahrnehmen Anderer nicht mehr möglich ist. Ein gesunder Umgang mit Mitgefühl ist daher etwas, über dass man nachdenken kann und ein guter Selbsttest um festzustellen ob man auf der Burn-out Leiter schon Richtung ungesund klettert.

Die Kunst besteht jedoch darin sich nicht selbst dabei zu verlieren. Jeder der selbst achtsam und feinfühlig Anderen gegenüber ist, wird das vermutlich schon selbst erlebt haben. Wenn einem plötzlich Gefühle übermannen, die überhaupt nicht die Eigenen sind. Es ist ein schreckliches Gefühl, wenn man sich nach Gesprächen ausgelaugt und am Boden zerstört fühlt... Was ist der häufigste Rat, den man in solchen Situationen erhält?

-Natürlich: Da muss man sich halt besser abgrenzen....

Ist euch auch schon einmal aufgefallen, dass nie dazu gesagt wird, wie das geht? -ich bin drauf gekommen, dass solch ein Rat entweder von Leuten kommt die grundsätzlich eher auf der Holzprügel "ich gehe einfach meinen Weg, auch über Leichen." Seite des Spektrums existieren oder aber von jenen die selber keine Ahnung haben, wie das geht. Also falls es euch beruhigt, ich habe den magischen roten Knopf auf den man drücken kann und dann ist man abgegrenzt, auch noch nicht gefunden.

Was ich jedoch bereits herausgefunden habe ist, dass es einen massiven Unterschied zwischen Mitgefühl (im Sinne von Verständnis für einen Anderen und Wahrnehmen eines Anderen) und Mitleid (sich das Drama des Anderen, die Probleme und Emotionen selbst aufzuladen und in denselben Strudel gezogen werden) gibt. In diesem Sinne ist Mitgefühl lebensnotwendig da wir soziale Wesen sind und halt nicht allein und unberührt von anderen, dahin existieren und Mitleid hingegen ist tödlich.

Klassisches Beispiel: Ein guter Freund/Freundin erzählt wie schwierig es aktuell in einem ihrer wichtigen Lebensbereiche ist. Angenommen im Beziehungsbereich hängt der Haussegen schief, dann ist es gut und richtig den Freund/die Freundin anzuhören und zu verstehen. Beziehungen sind nicht leicht -für niemandem, besonders nicht wenn man nicht als Egoist durchs Leben geht, sondern halt möchte, dass es allen möglichst gut geht. (Es ist gut und wichtig, darauf zu achten, dass es einem selbst gut geht! -Das heißt nur nicht, dass es dafür anderen schlecht gehen muss.) 

Im besten Fall kann man den Freund/Freundin in seiner Selbstachtung stärken, ihn/sie daran erinnern, was für großartige Menschen sie sind und warum man mit ihnen so gerne Zeit verbringt. Es ist auch möglich zu vereinbaren, dass man sich einfach mal "auskotzt" und das Ganze dann lässt wo man es gefunden hat, besonders in der akuten Phase kann man schließlich mit Lösungsvorschlägen meist nix anfangen. -Es darf sich auch einfach mal Scheiße anfühlen -ist ok. -Achtung: aufpassen, dass es nicht zum Dauerzustand wird!

Es gibt auch die Möglichkeit dem Freund/der Freundin an andere Sichtweisen zu erinnern (sich wieder mehr auf all das Gute zu fokussieren - man hat sich ja schließlich nicht grundlos in die andere Person verliebt) oder die Angst vor Veränderung zu überwinden und dann das Leben neu zu sortieren (Wenn es nicht mehr geht, dann geht es nicht mehr, Punkt). _Freunde halt, ihr wisst schon, die Handvoll Menschen, die einem auch um 3 Uhr morgens anrufen dürfen und die dann mit Sack und Pack abgeholt werden, wenn sie aus der Wohnung geflogen sind.

Was ist jetzt der Unterschied zwischen Mitgefühl und Mitleid? Ich würde sagen, wenn man dem Partner des Freundes/der Freundin mit dem Messer an den Kragen will und starke Emotionen von Hass, Abscheu und Elend in einem kursieren, dann war es leider Mitleid. 

Mitgefühl ermöglicht einem trotz widriger Umstände eine gewisse Form von Distanz, die die eigenen Kraftreserven nicht angreift. Es ist das Verständnis für die Situation und die involvierten Personen. Man wird es dem Freund/Freundin dann nicht übel nehmen, wenn er/sie gerade nicht so gut drauf ist. Denn man hat Verständnis, dass ein Lebensabschnitt gerade schwer ist, man kann jedoch akzeptieren, dass es die Aufgabe der jeweiligen Person ist, diese Situation auf ihre Art und Weise zu lösen. Man fängt nicht an Lasten zu tragen, die nicht die eigenen sind.

Ein weiterer wichtiger Unterschied ist auch, dass Mitleid eine Art des Reagierens ist und Mitgefühl eine Art des Agieren ist. In das Mitleid wird man mit hinein gerissen und von Emotionen überschwemmt und bevor man sich versieht sind Wochen vergangen und man hat emotionale Berg- und Talfahrten hinter sich, die nichts mit dem eigenen Leben zu tun haben.

Beim Mitgefühl hingegen nimmt man sich erst kurz eine Pause und reflektiert. Was genau geht hier gerade vor? Erst dann entscheidet man, wie man handeln will. 

Um das zu schaffen, benötigt man jedoch die wohl wichtigste Eigenschaft überhaupt: Mitgefühl zu sich selbst.

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